Neue Hüllen aus Carbonbeton
Leichtigkeit, Flexibilität, Filigranität – das zeichnet die Ästhetik des innovativen Materials Carbonbeton aus. Zwei Designerinnen aus Leipzig griffen diesen Gedanken auf und setzten den Baustoff in einen noch nie dagewesenen Kontext.
Die Designerinnen Laura Krettek und Beatrix Krause entwarfen 2014 für das C³-Konsortium der TU Dresden in Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe Nachhaltiges Bauen der HTWK Leipzig ein Betonkleid aus einem flexiblen Carbongelege. Das Oberteil wurde wie ein Stoff im klassischen Sinne verarbeitet, während die textile Bewehrung in das nahezu schwebende Betonteil einfließt. Die leichte Betonschale des Kleides zeugt von Filigranität und freier Formbarkeit, ohne an Stabilität zu verlieren. Sie ist Sinnbild für die vielfältigen und enormen Möglichkeiten, die der neue Verbundwerkstoff dem Bauen der Zukunft eröffnet. Die stoffartige Anmutung und Verarbeitung des Carbongeleges verweist auf die Entwicklung der neuen Bewehrungsstruktur von der Kleidungstextilindustrie zu den Smart Textiles, den technischen Textilen. Als modische Körperhülle symbolisiert das Betonkleid die zweite Haut des Menschen und bietet thermischen Schutz vor Kälte – ähnlich wie die Fassade eines Gebäudes.
Der Entwurfsfindung für das Kleid folgte die Umsetzungsphase mit einigen technologischen Herausforderungen: Zu Beginn wurde ein Gipsmodell des rockartigen Betonteils als Positivform hergestellt, das für die Abformung der Negativform aus Epoxidharz diente. Nun konnten abwechselnd Feinbeton- und Carbonlagen händisch in die Epoxidharzform laminiert werden, wobei die Designerinnen das drapierfähige und unbeschichtete Gelege sowohl als reines Carbonkleidungstextil am Oberkörper, als auch im Carbonbetonelementes am Unterkörper als Bewehrung einsetzten. Dieses Element besteht aus Feinbeton, wiegt bei einer Gesamtdicke von nur 7 mm nur 2,5 kg und besitzt eine schalungsglatte Oberfläche.
Den Beton lieferte die Firma Pagel Feinbeton, das Textil stellte Gerster Textilien zur Verfügung. Beide Firmen gehören dem C³- Konsortium an. Die Ausführung wurde vomSKZ - Das Kunststoff-Zentrum unterstützt.
INTER | ACTION
Die Kooperationsarbeit zwischen dem Institut für Betonbau (IfB), dem C³-Konsortium und dem Programm Zwanzig20 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung war ausschlaggebend für die Designerin Laura Krettek, sich in ihrer Bachelorarbeit mit den für Kleidermode untypischen Materialien der Bauindustrie zu befassen. Kretteks eigens entwickelte Oberflächenqualitäten aus Beton, Tyvek, Eisenpulver, Carbon, Metallgitter und Abdichtacryl und die gezielt eingesetzte Wirkung von Magnetfeldern schaffen anmutende Hüllen, die erst bei genauerer Betrachtung und im haptischen Erleben beginnen, ihren wahren Charakter zu offenbaren.
„In dieser Arbeit wurde die Relevanz von Bündnissen unkonventioneller Materialien in der Mode bekräftigt und mit der experimentellen Überschreitung der Grenzen die vielseitigen Beziehungen zueinander beleuchtet. Das Ergebnis ist eine intensive und kraftvolle Atmosphäre, die die Kollektion INTERACTION umgibt und viel Raum zur Interpretation lässt. Ausgehend von den neu entstandenen und befremdlich wirkenden Oberflächen in Kombination mit durchaus widersprüchlichen Materialien und Manipulationstechniken für Bekleidung gestaltete sich eine fantasievolle Formenwelt, von der die Kollektion profitiert.“
Laura Krettek